Psychologische Hilfe für Schutzsuchende und Helfende in VorPommern (PHil@SH-VP)

Vor mittlerweile über zwei Jahren begann am 24. Februar 2022 der russische Angriff in vollem Umfang auf die Ukraine und dauert seitdem an. Die genauen Opferzahlen sind unbekannt. 13,7 Millionen Ukrainer*innen haben nach Angaben des UNHCR seit Februar ihr Land verlassen, was laut des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge der größten Fluchtbewegung in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs entspricht. 6,4 Millionen sind trotz zunehmender Zerstörung und Härte des Krieges in der Zwischenzeit wieder in die Ukraine zurückgekehrt. Im September 2023 lebten in Deutschland mit 1 133 000 Personen über sieben Mal mehr ukrainische Staatsbürger*innen als noch Ende Februar 2022 (Destatis, 2023).


Seit zwei Jahren erschüttert der Angriffskrieg gegen die Ukraine die Welt und hinterlässt unaufhörlich Zerstörung, Leid und Verlust von Menschenleben. In diesen schwierigen Zeiten steht die Landesintegrationsbeauftragte von Mecklenburg-Vorpommern an der Seite der Ukraine und gedenkt der Opfer dieses Konflikts – eine Haltung, der wir uns voll und ganz anschließen. Weitere Informationen finden Sie unter: Link zur Pressemitteilung der Landesregierung.

Die Unterstützung für die ukrainische Bevölkerung, sowohl im Inland als auch in der Ukraine selbst, bleibt von entscheidender Bedeutung. Sie verdienen unsere fortwährende Solidarität und das Versprechen, nicht in Vergessenheit zu geraten. Unser Verein i.G. “Gemeinsam für psychische Gesundheit” setzt sich gemeinsam mit unserem Lehrstuhl nachhaltig für die Bereitstellung psychotherapeutischer Hilfe für ukrainische Bürgerinnen und Bürger in unserer Region ein. Darüber hinaus erweitern wir unsere Hilfsangebote, um auch Menschen direkt in der Ukraine zu erreichen und zu unterstützen.

Derzeit planen wir, auf Initiative der Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, in Zusammenarbeit mit der Wissenschaftsministerin Frau Bettina Martin und Maryna Slobodnichenko, der stellvertretenden Gesundheitsministerin der Ukraine für Europäische Integration, konkrete psychologische Unterstützungsmaßnahmen für die Partnerregion Mecklenburg-Vorpommerns: Tschernihiw in der Ukraine (vgl. Foto). Diese Initiative zielt darauf ab, unter anderem durch spezialisierte psychologische Hilfe und Ressourcen die Bewältigung der aktuellen Herausforderungen in der Region zu unterstützen und damit einen wertvollen Beitrag zur Stärkung der bilateralen Beziehungen und zur Förderung der psychischen Gesundheit der Menschen vor Ort zu leisten.

Rückblick

Als Reaktion auf die unfassbaren Geschehnisse wurde auf Basis der Initiative „Gemeinsam für Psychische Gesundheit“ (GPG) im März 2022 das psychologische Modellprojekt „Psychologische Hilfe für Schutzsuchende und Helfende in VorPommern“ (kurz: PHil@SH-VP) gegründet. Initiator*innen waren Prof. Dr. Eva-Lotta Brakemeier (Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie), Dipl.-Psych. Florian Harder (Psychosoziales Zentrum für Asylsuchende im KDW Greifswald e.V./ Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie) und Prof. Dr. Anna-Lena Zietlow (vormals Lehrstuhl für Kinder- und Jugendpsychologie und -psychotherapie, seit 10/22 Professur für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie, TU Dresden). Dieses Modellprojekt verfolgte zunächst einmal das Ziel, Betroffenen des Angriffskrieges in Vorpommern und angrenzenden Landkreisen evidenzbasierte, bedarfsorientierte psychologische Unterstützung auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand zukommen zu lassen.

Dieses Ziel wurde in den ersten Monaten dank des überwältigenden Einsatzes von überwiegend ehrenamtlichen Unterstützer*innen realisiert: Mitarbeitende der Universität, Psychotherapeut*innen vom Zentrum für Psychologische Psychotherapie (ZPP) und der Region sowie Sprachmittelnde und Freiwillige fuhren zu 15 großen „Hilfseinsätzen“ in die Notunterkünfte, führten über 100 psychologische Beratungs- und Krisengespräche durch und ermöglichten es, dass weiterführende Psychotherapien mit Schutzsuchenden gestartet oder vermittelt werden konnten.

Unterstützt wurde das Projekt auch durch regionale Fördernde, wie dem Oberbürgermeister der Stadt Greifswald, Herrn Dr. Fassbinder, unserer Rektorin Frau Prof. Riedel sowie der Sparkasse Vorpommern. Hierfür sind wir sehr dankbar, da es uns u.a. ermöglichte, Sprachmittler*innen Honorar zu zahlen. Seit September 2022 förderte das Projekt dann für ein Jahr die Robert-Bosch-Stiftung mit 75.000 €.

Aktueller Stand: IPT-U Studientherapie

Durch diese Unterstützung können einerseits die niederschwelligen Beratungs- und Krisengespräch für Schutzsuchende bis zum heutigen Tag fortgeführt werden. Anderseits konnte in die nächste Phase eingetreten werden, in welcher es verstärkt um die Anpassung und Durchführung einer Kurzzeitpsychotherapie für Erwachsene auf Basis der Interpersonellen Psychotherapie (IPT) geht. Erste Studien konnten bereits die gute Durchführbarkeit und hohe Wirksamkeit der IPT im Kontext von Flucht nachweisen (Brakemeier et al. 2017). Im Rahmen der modifizierten integrativen und kulturell bzw. kontextuell angepassten IPT werden Problembereiche wie (a) Rollenwechsel bedingt durch Krieg und Flucht, der Verlust von bzw. die (b) Trauer um Angehörige und die Heimat, (c) interpersonelle Konflikte oder (d) Einsamkeitsgefühle sowie Probleme bei der (e) Orientierung oder Integration in die Arbeits- und Sozialwelt psychotherapeutisch bearbeitet.

Die Therapien werden in Greifswald im Zentrum für Psychologische Psychotherapie (ZPP, Direktorin: Prof. Dr. Eva-Lotta Brakemeier) von approbierten oder in fortgeschrittener Ausbildung zum / zur Psychologische*n Psychotherapeut*in befindlicher Mitarbeitenden der Ambulanz in der Regel gemeinsam mit Sprach- und Kulturmittelnden durchgeführt. Die sog. IPT-U besteht aus 12 Doppelsitzungen à 100 Minuten. Die Ziele der IPT-U bestehen darin, die (1) bestehende (depressive) Symptomatik zu lindern, durch (2) besseres Verstehen und Bewältigen der zwischenmenschlichen Schwierigkeiten, indem (3) das soziale Netzwerk aufgebaut bzw. einbezogen wird. Es wird also im ‚Hier und Jetzt‘ an einem bis zwei der o.g. Problembereiche gearbeitet.

Die kontextangepasste IPT-U wird als Therapiestudie hinsichtlich ihrer Durchführbarkeit wissenschaftlich evaluiert (feasibility & effectiveness) und mögliche Wirkmechanismen beforscht. Neben der Ermöglichung von Psychotherapie für Schutzsuchende mit psychischen Erkrankungen im Angesicht von Krieg, Flucht und Vertreibung (sog. Third Mission), sollen außerdem die Therapierenden für die dolmetschergestützte Arbeit mit Schutzsuchenden, u.a. durch Schulungen, ermächtigt werden.

"Save The Children"-Projekt für vom Krieg betroffene Kinder, Jugendliche und Familien

Seit Beginn des russischen Angriffs in vollem Umfang auf die Ukraine vor über 2 Jahren sind mehr als sieben Millionen Menschen vor dem Krieg geflohen, darunter fast 300.000 Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter. Diese sind besonders von den Kriegs-, Flucht- und Migrationserfahrungen betroffen und tragen somit ein erhöhtes Risiko, psychisch zu erkranken. Um ihnen ein Stück Lebensqualität zurückzugeben und das Zurechtfinden und Einleben in Deutschland zu erleichtern, braucht es professionelle psychologische Hilfsangebote. Häufig sind solche jedoch noch nicht ausreichend verfügbar.

Dieses Modellprojekt widmet sich daher der psychotherapeutischen Behandlung für aus der Ukraine geflohene Kinder, Jugendliche und deren Familien mittels der Interpersonellen Psychotherapie (IPT). Dabei handelt es sich um eine weltweit angewandte wirksame Kurzzeittherapie, die insbesondere bei depressiven Erkrankungen, aber auch Traumafolgestörungen und anderen Erkrankungen eingesetzt wird und die sich bereits bei der Behandlung geflüchteter Menschen als vielversprechend erwiesen hat. Auf Grundlage dieser Therapie für Erwachsene wurden die IPT-A für Jugendliche sowie die Family-Based Interpersonal Psychotherapy (FB-IPT) für jüngere Kinder entwickelt. Letztere bezieht auch die Eltern gezielt mit in die Behandlung ein. Diese Therapieformen möchten wir in unserem Projekt an die aktuelle Situation der schutzsuchenden jungen Menschen aus der Ukraine anpassen und ihnen als Hilfsangebot verfügbar machen. Betroffene ukrainische Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 18 Jahren und ihre Bezugspersonen sollen von geschulten Psychotherapeut*innen in Ausbildung (unter Supervision) und Psychologischen Psychotherapeut*innen eine 12 - 16 Sitzungen umfassende Behandlung erhalten. Zudem soll die angepasste Therapie nach wissenschaftlichen Standards auf ihre Wirksamkeit und Machbarkeit überprüft werden.

Die Durchführung des Projektes erfolgt unter Verantwortung der Professur für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Greifswald (Prof. Dr. Eva-Lotta Brakemeier) in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie der TU Dresden (Prof. Dr. Anna-Lena Zietlow). Die finanziellen Mittel werden für das Jahr 2024 im Rahmen des Projektes „Förderung von Kinder- und Jugendangeboten im Bereich Psychosoziale Unterstützung“ von Save the Children Deutschland zur Verfügung gestellt.

Projektmitarbeitende

Prof. Dr. Eva-Lotta Brakemeier
Prof. Dr. Anna-Lena Zietlow (TU Dresden)
Dipl.-Psych. Florian Harder
Dr. Judith Buse (TU Dresden)
Zoe Wulff, M.Sc.
Arite Bandelin, M.A. Dipl.-Psych.
Dipl. Psych. Anika Schmidt
Kathleen Kleinpeter, M. Sc.
Tina Liebig, M.Sc. (TU Dresden)
Alana Horn (TU Dresden)
Emma Melzian (Stud. Mitarbeiterin)
Eugenia Shostatska (Stud. Mitarbeiterin)

Unterstützer*innen

Prof. Dr. Sabine Ahrens-Eipper
Dipl.-Psych. Anne v. Lucadou
Laura Dietz, PhD

Ausblick

Das mittel- bis langfristige Ziel stellt die Entwicklung weiterer bedarfsgerechter, alltagsbegleitender psychotherapeutischer Angebote für Schutzsuchende, z.B. durch eine Ausweitung der Sprachen, dar. Seit Oktober 2023 wirkt das Greifswalder Team außerdem über die Charité Berlin am Projekt SOLOMIYA: Langzeitstärkung medizinischer und psychosozialer Infrastrukturen in der Ukraine (klinikpartnerschaften.de) mit, welches u.a. zum Ziel hat, die psychologische Versorgung der Menschen im ukrainischen Kriegsgebiet möglichst schnell und realitätsnah zu verbessern.
 

Projektteam

Leitung

Prof. Dr. Eva-Lotta Brakemeier

Dipl.-Psych. Florian Harder

Koordination

M.Sc. Psych. Sophie Hauck

M.Sc. Psych. Zoe Wulff

Studentische Mitarbeitende

B.Sc. Sarah Stapel

Yuliia Panasenko

Hier gelangen Sie zum Flyer: Psychotherapie für Menschen aus der Ukraine (Deutsch)
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Нажмите здесь для получения флаера: Психотерапия для людей из Украины (на русском языке)
Selbst aktiv werden

Sie sind Dolmetscher*in oder Therapeut*in und wollen unsere Psychologischen Hilfsangebote unterstützen, dann schreiben Sie uns eine Mail unter ukraine-gpguni-greifswaldde

 

 

Unser Engagement
Schulungen und Workshops
Einblicke in vergangene Hilfseinsätze
Informationen vom Bundesministerium des Inneren und für Heimat

Hier finden Sie eine Sammlung von Informationen des Bundesministerium des Inneren und für Heimat über Hilfsangebote, Unterkünfte und ärztliche Versorgung auf Deutsch, Englisch und Ukrainisch.

Informationen von der Universität

Hier finden Sie eine Sammlung von Informationen zum Angriffskrieg auf die Ukraine von der Universität Greifswald.

Informationen vom Flüchtlingsrat MV

Hier finden Sie einige Informationen die der Flüchtlingsrat MV zusammen gestellt hat für für alle Helfer*innen und vertiefende Informationen zur Sozialen Absicherung und weiterführenden Beratungsangeboten.
Weitere Informationen gibt es direkt auf der Webseite des Flüchtlingsrats.

Informationen zur Selbsthilfe

 Hier finden Sie ein gut verständliches, kostenloses Selbsthilfebuch der WHO für Betroffene von Krieg, Gewalt, Flucht (und sonstigem “Stress”) in vielen Sprachen.

Empfehlungen für Helfer*innen für den Umgang mit Menschen in Krisen und nach schweren Lebensereignissen

Hier finden Sie Empfehlungen für Helfer*innen für den Umgang mit Menschen in Krisen und nach schweren Lebensereignissen, die inzwischen in sechs Sprachen vorliegen. Diese Empfehlungen wurden von der Pompidou-Gruppe des Europarats in Zusammenarbeit mit anderen Psychotrauma-Expert*innen sehr kurzfristig erarbeitet.

Was passiert bei Traumatisierungen und was hilft?

Hier finden Sie einige Informationen dazu was bei einer Traumatisierungen passiert und was hilfreich ist in verschiedenen Sprachen unter anderem Deutsch, Englisch und Russisch.