Stephanie Schüler (Berlin), Die mittelalterliche Ausstattung der ehemaligen Wunderblut- und Wallfahrtskirche St. Nikolaus in Wilsnack – ein Einblick

Die Heilig-Blut-Kirche St. Nikolaus im heute primär als Kurort bekannten Bad Wilsnack in der Prignitz gehört zu den bedeutendsten mittelalterlichen Baudenkmälern Brandenburgs. Eine Brandschatzung des Dorfes im August des Jahres 1383 legte den Grundstein für eine Legende, die eine über anderthalb Jahrhunderte anhaltende Wallfahrt von europaweitem Rang initiieren sollte. Im Zentrum dieses Ursprungsmythos und der nachfolgenden Verehrung standen drei im Innern der zerstörten Kirche aufgefundene, unversehrte und anscheinend blutende Hostien. Rasch unterstützten mehrere Förderer, darunter insbesondere das Havelberger Domkapitel und sogar der Papst, die Entwicklung einer Wallfahrt “tho der wilssnagk” und somit den Wiederaufbau des Gotteshauses. Zwischen 1384 und 1392 entstand ein erster Saalbau aus Backstein mit polygonalem Chorabschluss und einer westlichen Turmanlage. Bereits um die Mitte des folgenden Jahrhunderts schien dieser Bau jedoch in seinen Ausmaßen nicht mehr den nach Wilsnack strömenden Pilgerscharen zu genügen und man begann mit einem repräsentativen Umbau der Kirche, vornehmlich unter der Ägide der brandenburgischen Landesherren aus dem Haus der Hohenzollern, dessen erste Baukampagne mit der Errichtung von östlicher Chorerweiterung und Querhausarmen 1460 fertiggestellt wurde. Weitere Baumaßnahmen am dreischiffigen Langhaus folgten in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und erstreckten sich noch bis in die 1520er Jahre.


Die legendären Wunderbluthostien wurden in einer Monstranz in einem bemalten Schrein in der sog. Wunderblutkapelle im südlichen Querhausarm aufbewahrt. Unter den erhaltenen Ausstattungsstücken sind es vor allem ein umfangreiches Ensemble an Glasmalereien, verschiedene Bildwerke aus Stein oder Holz, Retabel sowie einige Wandmalereien und weitere Kuriosa, die Aufschluss über das ursprüngliche Aussehen des Innenraums und seine liturgische Nutzung zu geben vermögen. Zu der ehemals reichen Ausstattung der Kirche haben außerdem unzählige Votivgaben der Pilger gehört, von denen bis auf wenige Reste nichts erhalten geblieben ist. Rötelinschriften und Ritzzeichnungen sowie kugel- und strichförmige Vertiefungen innerhalb und außerhalb des Baus gehören ferner zu den Hinterlassenschaften der Besucher und verweisen auf ehemalige Wallfahrtspraktiken vor Ort. Mit dem veränderten theologischen Verständnis der ab 1552 in Wilsnack Einzug haltenden Reformation und dem zuvor bereits allmählich einsetzenden Niedergang der Wallfahrt wurden zahlreiche Heiligenbilder, wertvolles Messgerät, Schatzkunstobjekte und Votivgaben entfernt oder zerstört.


Während Baugeschichte und die theologischen Kontroversen um das Wilsnacker Wunderblut in den letzten Jahrzehnten die Forschung zu dem Wallfahrtsort bestimmten, möchte mein Promotionsprojekt die bisher vernachlässigte Geschichte der Ausstattung systematisch erschließen. Dabei liegt der Fokus gezielt auf den spätmittelalterlichen Ausstattungsphasen während der Wallfahrtszeit und auf der kunsthistorischen Erforschung erhaltener Stücke.

Vortrag im Rahmen der Veranstaltung “Aktuelle Mittelalterforschungen
Ort: Seminarraum 3.09, Domstr. 9a

Organisator

  • Lehrstuhl für Allgemeine Geschichte des Mittelalters, Historisches Institut

Veranstaltungsort

  • Historisches Institut
    Domstraße 9 A
    17489 Greifswald

Zurück zu allen Veranstaltungen